Leserlichkeit oder: Wie wir lesen

Ich schreibe hier ständig etwas von »Leserlichkeit« und »gut leserlichen Texten« und habe auch versucht, Ihnen einen Eindruck davon zu vermitteln, was darunter zu verstehen ist. Ich habe an anderer Stelle auch schon darauf hingewiesen, dass Laien sich nicht vom ersten Eindruck einer Seite in die Irre führen lassen sollten. Grundlage dafür ist die Art und Weise, wie gelesen wird.

Das Lesen ist ein dynamischer, aber ungleichmäßiger, sprunghafter Vorgang, bei dem Wortbildererfasst werden. Der erste Blick hingegen erfasst die Gesamtseite und nicht die einzelnen Wörter. Nur Geübte können sich deshalb auf den ersten Eindruck einer Seite verlassen. Der Laie wird bei ISO A4 häufig auf den ersten Blick dieSeite »ganz gut« finden, die dann beim Lesen schlechter abschneidet. Doch dessen wird er sich in der Regel nicht bewusst. Umgekehrt wird die gut leserliche (ISO-A4-)Seite auf den ersten Blick irritieren (vgl. Abschnitt Einspaltiger Satz auf ISO A4).

Wir lesen Wörter nicht Buchstabe für Buchstabe, also nicht regelmäßig gleitend, sondern das Auge springt in der Zeile über mehrere Buchstaben, auch über Wortgrenzen hinweg (Saccade). Dort, wo es zum Stehen kommt (Fixation), sieht es im Umkreis ungefähr neun Buchstaben auf einen Blick. Umkreis heißt, dass das Auge nicht nur die Buchstaben der entsprechenden Zeile, sondern auch die der darüber und darunter liegenden sieht. In folgender Abbildung aus dem sehr empfehlenswerten Buch Wegweiser Schrift von Hans Peter Willberg (Verlag Hermann Schmidt, 2001) ist dies dargestellt. Darin ist auch zu sehen, wie das Auge zur Peripherie hin unscharf sieht:

Ein Text muss deshalb so gestaltet sein, dass das Auge in der Zeile gehalten wird und die Wörter einfach zu erfassen sind. Dafür gibt es verschiedene Maßnahmen, die ich bei der Gestaltung Ihres Textes berücksichtige:

  • Wahl einer geeigneten Schrift:
    • Eindeutige Buchstabenformen, die eindeutige, schnell zu erfassende Wortbilder ergeben.
    • Gute Zeilenführung, damit der Zusammenhang nicht verloren geht und der Rückschwung unterstützt wird.
  • An Schrift und Schriftgröße orientierte Zeilenlänge.
  • An Schrift, Schriftgröße und Zeilenlänge orientierter Zeilenabstand.
  • Blocksatz mit gleichmäßigen und engen Wortzwischenräumen, die Saccade und Fixation unterstützen.